Entsprechend dem Energiekonzept der Bundesregierung soll der Energiebedarf im gesamten Gebäudebestand bis 2050 um 80 Prozent sinken. Ein ehrgeiziges Ziel, dessen Erreichung bei der derzeitigen Sanierungsquote gegenwärtig unrealistisch erscheint. Der Monitoring-Bericht zu den KfW-Programmen „Energieeffizient bauen“ und „Energieeffizient sanieren“ für das Jahr 2017 dokumentiert, dass die Sanierung zum besten KfW-Effizienzhausstandard 55 leider noch Seltenheitswert hat. Innerhalb des Programms 151 – Sanierung zu einem der verschiedenen KfW-Effizienzhausstandards – nimmt der Effizienzhausstandard in Bezug auf die geförderten Wohnungen 9,6 % bei Ein- und Zweifamilienhäusern ein, bei Gebäuden mit mehr als 3 WE sind es 10,0 %.

Woran liegt es, dass der Anteil der Komplettsanierungen so gering ist?

Betrachtet man, dass die Anzahl der als Einzelmaßnahmen geförderten Sanierungen deutlich dominierten und überwiegend Eigentümer von 1-2 WE-Gebäuden bzw. von Eigentumswohnungen die Förderungen in Anspruch nahmen, kommen folgende Begründungen infrage:

  • Informationsdefizite bei den Eigentümern,
  • unzureichende finanzielle Ausstattung der Eigentümer,
  • aus Bauherrensicht noch zu geringe finanzielle Anreize,
  • aus Bauherrensicht zu komplizierte Antragstellung oder zu hohe Auflagen,
  • ggf. auch unzureichende Beratungsleistungen der Planer.

2019 betrug der Tilgungszuschuss bei Erreichung des KfW-Effizienzhausstandards 55 27,5 %. Die Tilgungszuschüsse des Kredites (Prog. 151) sollen ab dem 24.Januar 2020 um 10 % bei der Zuschussvariante und um 12,5% bei der Kreditvariante angehoben werden. Es gibt eine weitere gute Nachricht, der maximale Kreditbetrag bzw. die maximal förderfähigen Kosten steigen auf 120.000 € bei Komplettsanierung auf einen der verschiedenen KfW-Effizienzhausstandards.

Seitens der Wohnungsbaugesellschaften bzw. -genossenschaften werden häufig die komplizierte Antragstellung und die Aufsplittung der Kosten bei Inanspruchnahme verschiedener Förderprogramme als Hemmnisse angeführt.

Zur Erhöhung des Anteils von Sanierungen auf Effizienzhausstandard 55 leiten sich folgende Maßnahmen ab:

  • Verstärkte Aufklärungsarbeit durch Energieberater mittels Fachpublikationen der Wohnungswirtschaft sowie breite Öffentlichkeitsarbeit, Aktionstage, Bauherren-Workshops.
  • Publikationen von Beispielsanierungen – dafür steht beispielsweise die Internetseite www.passivhausprojekte.de mit Dokumentationen abgeschlossener Passivhausprojekte inkl. der Kostenangaben und Energiekonzept zur Verfügung. Über die erweiterte Suche kann auch nach Sanierungen recherchiert werden.
  • Verstärkte Informationskampagnen, um die Vorteile der Sanierung auf KfW55-Standard deutlicher herauszustellen, insbesondere indem erfolgreich umgesetzte Sanierungen auf allgemein zugänglichen Internetplattformen veröffentlicht werden.

 

Das Potenzial ist groß – Wohnflächen nach Baualtersklassen

Wohnflächen nach Baualtersklassen (Auswertung der Gebäudetypologie 2013 – Basis: Gebäude- und Wohnungszählung 2011

Betrachtet man die Verteilung von Wohnflächen nach Baualtersklassen und deren Aufteilung nach Einfamilienhäusern (EFH), Reihenhäusern (RH), Mehrfamilienhäusern (MFH) und großen Mehrfamilienhäusern (GMH), beträgt der Anteil von Wohngebäuden, die von den Jahren 1948 bis 1994 errichtet wurden, insgesamt 60 %. Gerade diese Gebäude sind für eine Sanierung auf KfW-55-Standard aus energetischer Sicht die bevorzugte Zielgruppe.

Wie erreicht man den KfW-55-Standard bei Sanierung?

Beispiele insbesondere des Passivhausinstituts zeigen, dass gerade im Geschosswohnungsbau der KfW-55-Standard durchaus realisierbar ist. Im Rahmen des Projektes PHiB (Passivhaus im Bestand) wurden mehrere Bestandsgebäude – gerade im Geschosswohnungsbau – auf (Nahezu-) Passivhausstandard saniert.

Auf den Seiten des Passivhausinstituts (www.passiv.de) finden sich Dokumentationen erfolgreicher Sanierungen zum Passivhausstandard, die das Rezept zur Erreichung des Passivhausstandards dokumentieren:

  • In Frankfurt a.M. wurde zwei Wohnblöcke aus den 50er Jahren mit 60 WE in der Tevestraße zum Fast-Passivhausstandard saniert. Das Gebäude hat drei Vollgeschosse, zusätzlich wurde ein viertes Dachgeschoss als Staffelgeschoss im Zuge der Sanierung errichtet.
  • In Ludwigshafen wurde ein Gebäude in der Hoheloogstraße, ein Wohnbau aus dem Jahr 1965, mit 3 Vollgeschossen und 2 Aufgängen (insgesamt 12 Wohnungen) zum Fast-Passivhaus saniert. Die Sanierung erfolgte im Jahr 2005/2006 und wurde vom Passivhausinstitut wissenschaftlich begleitet und ausgewertet.

 

Die Eckdaten der Sanierung auf einem Blick: 

In beiden Fällen waren Dämmstärken und Maßnahmen der Gebäudetechnik ähnlich und sollen hier kurz zusammengefasst werden.

Weitere umgesetzte Maßnahmen bei den erfolgten Fast-Passivhaus-Sanierungen:

  • Einbau der Fenster in die Dämmebene oder zumindest eine umlaufende Überdämmung des Blendrahmens von Sturz, Brüstung und Laibungen um mind. 3 cm zur Reduzierung der Wärmebrücken. Bei Fenstern sind U-Werte von Fenstern von 0,80 W/m²K möglich.
  • Zusätzlich wurden Wärmebrücken reduziert und die Luftdichtigkeit der Gebäude deutlich verbessert.
  • Die Lüftung über dezentrale Geräte mit Wärmerückgewinnung in den Wohnungen mit einem Wärmerückgewinnungsgrad von mind. 80 %.
  • Die Beheizung kann nach Sanierung und Umrüstung auf Flächenheizung beispielsweise mit Sole-Wasser-Wärmepumpe oder mit Biomasse erfolgen, auch Fernwärme auf Basis von Kraft-Wärme-Kopplung oder unter Nutzung erneuerbarer Energie ist möglich.

Bei der Dämmung der Außenwände sind Wärmebrückenzuschläge für die Dübel zu berücksichtigen. Die Anzahl der Dübel hängt von der Dämmstärke, der Windlastzone sowie von der Höhe des Gebäudes ab.

Die Dämmstärke für die Kellerdecke ist i.d.R. durch die lichte Höhe des Kellers begrenzt, so dass nur mäßige Dämmstärken kellerseitig eingebaut werden können, die oberseitig ergänzt werden müssen.

 

Wesentliche Wärmebrücken sind in die Decke einbindende Kellerwände, die durch Flankendämmungen der Wände mit ca. 30 cm Länge verringert werden können.

Kritisch ist auch der Anschluss Erdgeschoss über unbeheiztem Keller. Hier ist eine Sockeldämmung erforderlich.

Auskragende Balkonplatten oder Überdächer sind abzutragen und durch vorgesetzte Balkone oder Überdachungen zu ersetzen. Generell können die genannten Wärmebrücken im Bestand nur optimiert und dadurch in ihrer Wirkung reduziert werden.

Prinzipiell ist ein Gebäude wärmebrückenfrei, wenn die Dämmschicht möglichst in einem ununterbrochenen Zug die thermische Gebäudehülle umfasst.

Unterbrechungen wie in die Kellerdecke einbindende Kellerwände sind durch Flankendämmungen und eine zusätzlich raumseitige Dämmschicht in ihrer Wärmebrückenwirkung zu reduzieren. Wird nach Sanierung eine Fußbodenheizung errichtet, ist eine zweite raumseitige Dämmschicht als Teil einer gedämmten Systemträgermatte ohnehin obligatorisch.

Im Geschosswohnungsbau sind die i.d.R. unbeheizten Treppenhäuser mit nachträglich nicht mehr dämmbaren erdberührendem Boden bei der energetischen Sanierung ein neuralgischer Punkt. Im Begleitbuch des Passivhauskompendium für die Version 9 wird empfohlen, die Treppenhäuser mit unverminderter Dämmstärke der Außenwände mit in die thermische Hülle zu integrieren. Dies ist sinnvoll, weil dadurch die Temperatur im Treppenhaus insgesamt höher sein wird, je besser der erreichte Effizienzhausstandard ist. Es stellt sich demnach die Frage, welche Temperatur sich im Treppenhaus einstellt, wenn Türen nach außen und zu unbeheizten Kellerräumen dicht sind und Fenster geschlossen gehalten werden.

Eine nachträgliche Dämmung der Wohnungswände zum Treppenhaus wird i.d.R. aufgrund beengter Platzverhältnisse speziell im Treppenhaus ohnehin ausscheiden. Gerade im Typenwohnungsbau mit angrenzenden schmalen Schlauchbädern oder Küchen ist auch hier eine nachträgliche Dämmung nicht praktikabel. Eine Beheizung des Treppenhauses ist ebenfalls Energieverschwendung, wenn Treppenhausfenster von den Mietern geöffnet oder geschlossen werden können. Bleibt also nur die Möglichkeit, den Luftaustausch im Treppenhaus beispielsweise mit Keramikkernlüftern mechanisch zu regulieren.

Ohne Berücksichtigung unbeheizter Treppenhäuser oder die Berücksichtigung von Kellerabgängen ergeben sich folgende Dämmstärken zur Erreichung der Anforderungen an H’T für die Erreichung des KfW55-Standards.

Daraus ergibt sich zwangsläufig die Frage, wie Treppenhäuser mit angrenzenden unbeheizten Kellern generell energetisch zu optimieren sind. Die logische Konsequenz besteht darin, den Kellerabgang bei energetischer Sanierung soweit praktisch umsetzbar, nachträglich baulich thermisch vom Treppenhaus zu trennen, so dass kein Luftverbund des Kellerabgangs zum Treppenhaus besteht. Dies dürfte den Energieberater im Typenwohnungsbau der 50er- bis 80er Jahre vor große Herausforderungen stellen und ein wesentlicher Grund dafür sein, dass bisher der Anteil des KfW-Standards 55 im Geschosswohnungsbau nur 10 % beträgt, weil der Aufwand zur thermischen Trennung von Treppenhaus zu Kellerabgang von den Wohnungsgesellschaften sehr wahrscheinlich als unverhältnismäßig betrachtet wird. Dies ist schade, denn prinzipiell ist für ein Mehrfamilienhaus die Kompaktheit (ausgedrückt im A/V-Verhältnis) besonders günstig. Damit ist der flächenbezogene Heizwärmebedarf geringer und die erforderlichen Dämmstärken werden mit zunehmender Größe der Mehrfamilienhäuser geringer.

Fazit: 

Grundsätzlich ist der KfW-Effizienzhausstandard 55 auch bei Sanierung erreichbar, wie insbesondere Dokumentationen erfolgreicher Passivhaussanierungen sowohl auf der Seite des Passivhausinstituts als auch in der Projektdatenbank zeigen.

Soll der Anteil von Passivhaus- bzw. KfW-Effizienzhaus-55-Sanierungen auf klimapolitisch wirksame Anteile gesteigert werden, sind weitaus deutlichere finanzielle Anreize zu setzen, Stichwort CO2-Abgabe. Wo zusätzliche bauliche Aufwendungen erforderlich sind, ist ggf. sogar die Kreditsumme je Wohnung von derzeit 100.000 €/WE bedarfsweise zu erhöhen.

Eine Erhöhung des Tilgungszuschusses auch im Vergleich zu den anderen Effizienzhausstandards ist gerade in Hinblick auf die Herausforderungen im Geschosswohnungsbau zu prüfen. Auch die Senkung des Zinssatzes insbesondere für die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften und Wohnungsgenossenschaften, speziell bei Erreichung des KfW55-Standards wäre alternativ zum Tilgungszuschuss eine mögliche Lösung, um den Anteil an Sanierungen auf diesen Standard zu erhöhen.

Es fehlt einerseits an erfolgreich umgesetzten Sanierungen speziell im Geschosswohnungsbau und andererseits an deren breitenwirksamer Veröffentlichung in Fachpublikationen der Wohnungswirtschaft, um Breitenwirkung zu erzielen.

Allgemein über das Internet frei zugängliche Publikationen von Beispielsanierungen, wie beispielsweise die Internetseite www.passivhausprojekte.de sind erforderlich. Die Projektbeispiele sollten Informationen zum Energiekonzept und der Umsetzung inkl. U-Werten, Dämmstärken und Kostenangaben enthalten.